Der Sentenzenkommentar des Durandus von St. Pourçain nimmt, was seine
Originalität und seine Bedeutung für die philosophische und theologische
Mediävistik angeht, eine herausragende Stellung unter den
Sentenzenkommentaren des 14. Jahrhunderts ein. Zum einen ist er ein
einzigartiges Dokument für die Debatten vor allem innerhalb des
Dominikanerordens um die Bedeutung des Thomas von Aquin und die
Verbindlichkeit seiner Lehrmeinungen für den Orden. Zum anderen steht
der Sentenzenkommentar des Durandus für die wachsende Bedeutung, die
dieses Genre am Ende des 13. und zu Beginn des 14. Jahrhunderts
wiedererlangt. Von einem Pflichtstück am Beginn der akademischen
Karriere wie etwa bei Thomas von Aquin wird der Sentenzenkommentar nun
zu einer wichtigen Schriftgattung eines Magisters der Theologie, die ihn
seine ganze akademische Karriere über begleitet.
Buch I, Prolog und Distinktionen 1-3
Im hier erstmals kritisch herausgegebenen Teil seines
Sentenzenkommentars behandelt Durandus in Auseinandersetzung mit Thomas
von Aquin und anderen Theologen des ausgehenden 13. und frühen 14.
Jahrhunderts einige zentrale Themen der scholastischen
Fundamentaltheologie, wie z.B. die Wissenschaftlichkeit der Theologie,
die Möglichkeit einer aposteriorischen Gotteserkenntnis, die Einheit
Gottes und die Unterscheidung der göttlichen Attribute. Darüber hinaus
werden einige psychologische und moraltheologische Grundfragen, wie z.B.
das Verhältnis zwischen dem Wesen der Seele und ihren Vermögen sowie die
Frage nach dem Gegenstand des
frui und des
uti,
diskutiert.
Der hier edierte Text spiegelt die B-Fassung des Sentenzenkommentars
wider. Ein Appendix enthält die entsprechenden Exzerpte aus der
Miszellanhandschrift Bologna, Biblioteca comunale dell’Archiginnasio,
Ms. A 913.