Die Untersuchung widmet sich der Fragestellung, wie es dazu gekommen ist, dass Erzählungen des synoptischen Parallelstoffs aufgrund von zusätzlichen Textinformationen, sogenannten inhaltlichen Überhängen, unterschiedlich ausführlich sind.
Im Rahmen eines interdisziplinären Ansatzes zieht diese Untersuchung Erkenntnisse aus der experimentellen Gedächtnispsychologie heran, die zeigen, dass Erzählungen in auswendigen Reproduktionen in aller Regel nicht anwachsen, sondern durch das Auslassen von nebensächlichen Textinformationen gekürzt werden. Als nebensächliche Textinformationen identifizierten die experimentellen Untersuchungen u.a. Angaben zum Ort, zur Zeit, zu den Personen, zu den Objekten und zu einem Ereignis oder Geschehen in Form von adverbialen Bestimmungen.
Vergleicht man die inhaltlichen Überhänge der synoptischen Parallelperikopen mit den in auswendigen Reproduktionen ausgelassenen nebensächlichen Textinformationen, dann ergibt sich, dass 90% der inhaltlichen Überhänge aus gedächtnispsychologischer Perspektive durch Kürzungen in einer vom menschlichen Gedächtnis getragenen Überlieferung erklärt werden können. Daher ist für die Geschichte der synoptischen Jesusüberlieferung eine Kürzungstendenz viel wahrscheinlicher als ein Wachstumsprozess oder gar die Wirksamkeit eines Wachstumsgesetzes.